
Möglichst viel Gesundheit mit begrenzten Ressourcen
Ein rascher Zuwachs an medizinischem Wissen erlaubt uns, neue, aufwendige Therapien und Medikamente zu nutzen. Die Ressourcen im Gesundheitswesen sind jedoch begrenzt. In diesem Spannungsfeld kommt das so genannte Health Technology Assessment (HTA) zum Einsatz. Das Bundesamt für Gesundheit ist mit dem eigenen HTA-Programm zufrieden, das Parlament hingegen sieht Potenzial für Verbesserungen.
In der Schweiz sind Gesundheitsleistungen teuer. Medikamente oder Behandlungen, die ineffizient oder nicht wirksam sind, sollen nicht durch solidarisch finanzierte Krankenversicherungen und Steuergelder bezahlt werden – zumal, wenn bessere Alternativen vorhanden sind. Hier setzen Health Technology Assessments (HTA) an. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich ein Instrument zur systematischen Bewertung von medizinischen Leistungen. Auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz wird geprüft, ob Behandlungen oder Medikamente den Kriterien des Krankenversicherungsgesetzes entsprechen: Leistungen, die vergütet werden, müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich (kurz WZW) sein. Dadurch soll letztlich die Behandlungs- und Versorgungsqualität erhöht werden.
Die besten verfügbaren Informationen finden
Der Ablauf eines HTA ist klar definiert: Über die medizinische Massnahme werden Informationen zusammengetragen, zum Beispiel systematische Übersichtsarbeiten oder Metaanalysen. Analysiert werden nicht nur die klinische Wirksamkeit und die Sicherheit der Therapie, sondern auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie ethische, soziale und rechtliche Aspekte. Danach findet eine breite Vernehmlassung statt. Durch das standardisierte Vorgehen will man sicherstellen, dass die Bewertung neutral und für alle Beteiligten transparent ist. Ziel ist es, die besten verfügbaren Erkenntnisse über das Produkt zu Rate zu ziehen. Folglich dauert ein sorgfältig durchgeführtes HTA lange – in der Schweiz sind es von der Themenfindung bis zum Entscheid der Behörden ein bis zwei Jahre.
Zu wenige Einsparungen?
Der Bund hat 2015 ein eigenes HTA-Programm gestartet. Bis Ende des Jahres 2024 wurden insgesamt 49 Themen ins HTA-Programm aufgenommen. Kritiker bemängeln allerdings, das Programm bewirke zu wenige Einsparungen. Tatsächlich wurden von den bisher analysierten Massnahmen und Medikamenten keine, die zuvor vergütet wurden, ganz aus dem Leistungskatalog gestrichen. Jedoch wurde mehrmals eine Einschränkung der Vergütung beschlossen.
Dass nur verhältnismässig wenig Therapien und Medikamente analysiert werden, hat mehrere Gründe. In der Schweiz kann prinzipiell jede Bürgerin und jeder Bürger Themen für ein HTA vorschlagen. Es werden aber nur relativ wenige Projekte eingereicht. Andererseits müssen die Vorschläge einige Kriterien erfüllen: fragliche Wirksamkeit, hohes Einsparpotenzial und ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis der Leistung. Es werden also nicht automatisch alle Massnahmen im Leistungskatalog der Krankenpflege-Leistungsverordnung überprüft.
Positive Bilanz des BAG
In den letzten Jahren hat das HTA-Programm aber Fahrt aufgenommen. Gemäss einer Zwischenbilanz des Bundesamts für Gesundheit (BAG) führten HTA seit 2022 zu direkten Einsparungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von bis zu 75 Millionen Franken pro Jahr. Beispielsweise hat die HTA-Einheit den klinischen Nutzen und die Wirtschaftlichkeit von Vitamin-D-Tests überprüft. In der Folge wurde die bisher unlimitierte Vergütung dieser Tests eingeschränkt. Allein damit könne man in der Grundversicherung schätzungsweise 30 Millionen Franken pro Jahr einsparen, so das Bundesamt.
Parlament möchte eine unabhängige HTA-Stelle
Das Parlament zieht jedoch eine weniger positive Bilanz: Die Gesundheitspolitische Kommission des Ständerats stellte 2023 in einem Bericht fest, die Einsparungen dank HTA seien deutlich geringer als erwartet. Deshalb sollen vermehrt Leistungen analysiert werden, bei denen umstritten ist, ob die WZW-Kriterien erfüllt sind. Der Bund soll im Lauf des Jahres 2025 einen weiteren Zwischenbericht veröffentlichen. Ausserdem würde die Kommission eine vom BAG unabhängige HTA-Stelle bevorzugen. Der Ständerat hofft, dass sich dies positiv auf die öffentliche Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Assessments auswirkt, und dass die Verfahren besser akzeptiert werden.
Auf diesen Punkt wollte der Bundesrat zunächst nicht eingehen. Der Aufbau einer Sektion HTA innerhalb der bestehenden Strukturen des BAG habe sich bis anhin als geeignete und effiziente Lösung erwiesen, so Elisabeth Baume-Schneider. Doch die Vertreter der kleinen Kammer liessen sich nicht abspeisen. Im Frühling 2024 verlangte die Mehrheit des Ständerats, dass der Bundesrat die Schaffung einer unabhängigen HTA-Agentur in Zusammenarbeit mit anderen institutionellen Akteuren prüfen muss.
Bildlegende
Das HTA-Programm des Bundes prüft, ob Medikamente oder Behandlungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind.
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