Zusammenarbeit statt Zentralisierung

Die Finanzierung des Gesundheitswesens prägt die politische Diskussion. Der Gesundheitsökonom Stefan Felder von der Universität Basel präsentiert im Interview Reformansätze, um Kosten zu reduzieren, ohne die Eigenheiten des Schweizer Gesundheitssystems aufzugeben.

Stefan Felder, das Schweizer Gesundheitswesen ist stark am Föderalismus ausgerichtet. Das heisst, die Kantone haben viel Macht. Die Nachteile dieses Systems zeigen sich etwa darin, dass es in der Schweiz sehr viele Spitäler gibt, die entsprechende Kosten verursachen. Wäre es sinnvoll, dem Bund mehr Kompetenzen zu geben?
Ich traue dem Bund nicht zu, dass er die Spitalplanung besser machen würde als die Kantone heute. Man nennt oft das Beispiel Dänemark, weil es dort aufgrund der zentralisierten Versorgung besser sei. Aber die dänische Bevölkerung ist relativ homogen. Die Schweiz hingegen ist vielfältig bezüglich Sprache, Religion und politischer Kultur. Wir haben etatistisch eingestellte Kantone, etwa Neuenburg, Basel-Stadt und Genf. Die Innerschweiz wiederum funktioniert viel stärker von unten nach oben. Die Verfassung trägt diesen Unterschieden Rechnung, indem sie den Kantonen den Sicherstellungsauftrag in der Gesundheitsversorgung überträgt. Das ist sozusagen unvermeidlich.

Warum arbeiten die Kantone, die ähnlich ticken, dann nicht vermehrt zusammen?
Der Druck ist bisher einfach noch zu wenig gross. Die Kantone arbeiten teilweise bereits zusammen, Obwalden mit Luzern, Basel-Stadt und Basel-Land, usw. Ich glaube, diese Bewegung muss letztlich von unten kommen, man kann sie nicht von oben verordnen.

Was würden Sie also tun, um die Situation zu verbessern?
Eine Idee, die dem Föderalismus Rechnung trägt, wäre Folgende: Der Leistungskatalog der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) wird begrenzt, jeder Kanton kann bei den Krankenkassen aber zusätzliche Leistungen einkaufen; zum Beispiel die Kantone in der Westschweiz, die traditionell höhere Gesundheitsausgaben haben, weil die Menschen dort mehr Leistungen beanspruchen. Wenn die Bevölkerung diese «Zusatzversorgung» will, müsste der Kanton die Kosten dafür tragen. So würden die Kantone noch stärker Verantwortung übernehmen. Es wäre ein ähnliches System wie wir es mit den Prämienregionen bereits heute haben, mit dem Unterschied, dass der gesetzlich garantierte Sockel tiefer wäre. Wenn man hingegen den Föderalismus schwächt, müssen plötzlich die Bundessteuer erhöht und Kantonssteuern angepasst werden, mit gravierenden Konsequenzen für die interkantonalen Finanzströme. Das war eines der Probleme der Prämienverbilligungsinitiative. Die Initianten wollten viel mehr Bundesgeld ins Gesundheitssystem pumpen und gleichzeitig die Prämien stärker verbilligen. Teure Kantone wie Genf, Waadt und Basel-Stadt hätte das nichts gekostet, während eine Mehrheit der Kantone ihre Steuern hätte erhöhen müssen.

Nach der Ablehnung der Prämienverbilligungsinitiative wurde auch über die Kopfprämie diskutiert: Sie sei unsozial, weil Reiche dieselbe Krankenkassenprämie bezahlen wie Menschen mit tiefen Einkommen.
Die Leistungen der OKP kosten insgesamt 6000 Franken pro Kopf und Jahr. 600 Franken (10%) davon macht die Selbstbeteiligung der Versicherten aus. Die Prämie macht nach Abzug der individuellen Prämienverbilligung 3100 Franken (52%) aus. Den Rest von 2300 Franken (38%) übernimmt zu einem kleinen Teil der Bund, das meiste bezahlt aber der Kanton über Steuermittel. Und diese werden progressiv erhoben. Insofern ist dieser Vorwurf, dass die Kopfprämie unsozial ist, nicht gerechtfertigt. Denn die Menschen mit grossen Einkommen finanzieren über die Steuern einen grösseren Teil der Gesundheitsausgaben. Ich kann mir eigentlich kein besseres System vorstellen.

Im Gegensatz zum Rest des Gesundheitswesens sind Prävention und Gesundheitsförderung weitgehend beim Bund angesiedelt. Sie als Gesundheitsökonom sind doch sicher daran interessiert, durch Prävention Kosten gar nicht erst entstehen zu lassen. Wie könnte die Prävention gestärkt werden?
Heute betreiben verschiedene Akteure Präventionsprogramme. Ich bin aber nicht überzeugt, dass die aktuelle Kompetenzverteilung sinnvoll ist. Effizienter wäre es, die Versicherer besser einzubinden. Für diese ist es allerdings ein Problem, dass wir jedes Jahr die Krankenkasse wechseln können. So muss sich der Versicherer gut überlegen, ob er in Prävention investiert. Dürften die Krankenkassen den Versicherten längerfristige Verträge ohne Kündigungsrecht anbieten, wäre dies ein Anreiz, um die Prävention von dieser Seite her zu stärken.

Bildlegende

Der Föderalismus prägt die Spitallandschaft der Schweiz. Einige Kantone arbeiten aber bereits zusammen, zum Beispiel das Luzerner Kantonsspital und das Kantonsspital Obwalden.

Bild: Keystone

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