Die Ärzte fordern Änderungen

Seit 2017 versucht man, das Elektronische Patientendossier (EPD) in der Schweiz einzuführen. Trotz der eingesetzten Gelder haben erst wenige Patientinnen und Patienten ein EPD eröffnet. In der Ärzteschaft gehen die Meinungen bezüglich der heutigen Form und Funktionen des EPD auseinander.

Das 2015 verabschiedete Bundesgesetz über das Elektronische Patientendossier (EPD) ist 2017 in Kraft getreten. Konkret kann ein Patient sein EPD eröffnen, alle seine Gesundheitsdaten dort hinterlegen und angeben, welche Gesundheitsfachpersonen Zugriff darauf erhalten. Doch trotz der eingesetzten Gelder findet das EPD in der Bevölkerung wenig Anklang. Bis November 2022 waren lediglich 12’000 Dossiers über eine der acht zertifizierten Stammgemeinschaften eröffnet worden. Man kann also sagen, dass das Projekt Mühe hat, in die Gänge zu kommen.

Kaum mehr als ein Papierkorb für PDF?
Ein erstes Problem besteht darin, dass die verschiedenen Dokumente im PDF-Format gespeichert werden. «Es handelt sich um ein Patientendossier», so Vladimir Mayor, Präsident der Neuenburger Hausärztevereinigung, «und nicht um ein medizinisches Dossier, das für Gesundheitsfachpersonen bestimmt ist.» Die Daten sind nicht strukturiert; dies führt zu grösseren Problemen, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen.

Um seinen Zweck zu erfüllen, müsste das EPD besser strukturiert sein und hierarchisierte, einfach zu analysierende Informationen bieten. «Mit Unmengen Labor- und Radiographie-Daten, die einfach in den Patientendossiers abgelegt sind, können wir nichts anfangen », erläutert Vladimir Mayor. «Wir möchten auf wichtige Angaben zugreifen können. Es ist natürlich teuer, die ganze Organisation dafür zu entwickeln, doch diese Arbeit ist unerlässlich.»

Verknüpfung mit den Primärdossiers
Ein anderes bedeutendes Hindernis für die Gesundheitsfachpersonen: Das EPD ist aktuell nicht mit den IT-Systemen der Medizinerinnen und Mediziner vernetzt. Diese wünschen sich natürlich, dass die medizinischen Daten der Patienten, die sie bereits erfasst haben, direkt im EPD zu finden sind. «In der Neuenburger Ärzteschaft hiess es klar und deutlich: Solange das EPD nicht in unsere Primärsysteme integriert ist, können Ärztinnen und Ärzte mit einer Privatpraxis aus Zeit- und Geldmangel dort keine Dokumente ablegen », berichtet Dominique Bünzli, der Präsident der Neuenburger Ärztegesellschaft.

Nützliche klinische Apps
Abgesehen von den Bedenken, die sich direkt auf die Digitalisierung der Daten beziehen, wünschen sich die Ärztinnen und Ärzte auch Applikationen, die ihnen in ihrem Praxisalltag nutzen. Sie fordern insbesondere, dass ein Fokus auf die arzneimittelbezogenen Daten gelegt wird und ein einheitlicher Medikationsplan angeboten wird. Ein weiteres grundlegendes Bedürfnis: Sie möchten einen Behandlungsplan anderen Gesundheitsfachpersonen zugänglich machen können. Diese zusätzlichen Anwendungen, die gerade entwickelt werden, sollen zudem in der ganzen Schweiz einsetzbar sein. «Heute», so der Präsident der Société Médicale de la Suisse Romande SMSR Philippe Eggimann, «kann man PDF-Dokumente in einer Stammgemeinschaft ablegen und in einer anderen abfragen. Die grösste Herausforderung besteht darin, dass die zusätzlichen Anwendungen, welche den Nutzen des EPD ausmachen, auch nützlich sind.» Doch das ist derzeit überhaupt nicht sicher.

Sorgfaltspflicht
Ein letzter, rechtlicher Punkt beunruhigt die Ärzteschaft. Da allein der Patient entscheidet, welche Gesundheitspersonen Zugriff auf sein Dossier erhalten, hat ein Arzt keine Gewissheit, dass er über alle medizinischen Angaben zu seinem Patienten verfügt. «Es gibt begründete Befürchtungen, dass die Daten im EPD nicht vollständig sind», fügt Dominique Bünzli hinzu. Die Ärztinnen und Ärzte wissen nicht, welche Dokumente sie im Dossier hinterlegen müssen und welche Verantwortung ihnen daraus entsteht, wenn die im EPD eingestellten Dokumente nicht vollständig sind. Um die Ärzte abzusichern, ist die Frage der beruflichen Sorgfaltspflicht zu klären.

Erforderliche Verbesserungen für ein zweckmässiges Werkzeug
Klinische Anwendungen, Interoperabilität, Hierarchisierung der Informationen und Vollständigkeit der Daten: Es gibt zahlreiche Punkte, die noch verbessert werden müssen. «Wir haben zwar den Eindruck, dass die Entscheidungsträger unsere wahren Bedürfnisse nicht kennen, dennoch ist das EPD eine gute Sache», sagt Vladimir Mayor. «Es könnte eine Kostensenkung ermöglichen und vernetztes Arbeiten erleichtern.» Bleibt nur zu hoffen, dass den Gesundheitsfachpersonen Gehör geschenkt wird und sie und die Patienten ein Werkzeug erhalten, das den Herausforderungen gewachsen ist. Und zwar je eher, desto besser.

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