Die Kosten sind nicht alles

Wird über das hiesige Gesundheitssystem diskutiert, steht meist die Kostenfrage im Fokus. Ausser Acht bleibt, dass der Gesundheitssektor auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Schweiz ist. Ein Perspektivenwechsel ist nötig.

Steigende Krankenkassenprämien und immer teurere Medikamente. Das sind die Hauptsorgen in der Debatte über das Schweizer Gesundheitssystem. Dass der Gesundheitssektor auch einen Nutzen hat, wird dabei gern ausgeblendet. Bringt man die Kosten in Beziehung zu den erbrachten Leistungen, zeigt sich ein anderes Bild.

Ein ganzheitliches Bild ist gefragt
Der Gesundheitssektor ist gesellschaftlich und individuell ein Gewinn. Die ganze Bevölkerung sowie jeder einzelne Patient und jede Patientin profitiert direkt vom medizinischen Fortschritt. Dies schlägt sich in einer niedrigen Säuglingssterblichkeit und einer langen Lebenserwartung bei hoher Lebensqualität nieder. Schweizerinnen und Schweizer müssen nicht wochenlang auf einen Arzttermin warten, wie es in anderen Ländern üblich ist. Wer krank wird, wird rasch behandelt und wieder in den Arbeitsprozess integriert. Ein gutes Gesundheitswesen und die Leistung der Gesundheitsfachpersonen haben deshalb weniger und weniger lange Krankheitsausfälle zur Folge, was wiederum der Volkswirtschaft Schweiz zugutekommt.

Viele Arbeitsplätze
Umfassende volkswirtschaftliche Studien, die Kosten und Nutzen des Gesundheitssystems gleichermassen integrieren, fehlen in der Schweiz bis anhin. Dennoch zeigen die einzelnen Zahlen, dass die Diskussion über das Gesundheitswesen nicht geführt werden darf, ohne auch dessen Nutzen zu berücksichtigen. Aktuell arbeiten rund 650’000 Personen im Schweizer Gesundheitswesen und in den Heimen. Das entspricht rund 365’000 Vollzeitäquivalenten oder 9 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Am meisten Arbeitsplätze schaffen die Spitäler mit fast 175’000 Stellen, gefolgt von Alters- und Pflegeheimen, Spitex und Arztpraxen. All diese Angestellten arbeiten nicht nur in der Schweiz, sie leben hier, kaufen ein, zahlen Steuern und tragen so zur Volkswirtschaft bei. Auch in Zukunft wird das Gesundheitswesen einer der grössten Arbeitgeber bleiben. Denn Gesundheits- und Pflegedienstleistungen sind trotz Automatisierung und Digitalisierung personalintensiv. Und die Schweizer Bevölkerung wird tendenziell älter.

Der Gesundheitssektor umfasst nicht nur Spitäler und Arztpraxen, sondern auch die Pharmaindustrie und die Medizintechnik. Beide Branchen zählen zu den volkswirtschaftlich produktivsten der Schweiz und spielen eine wichtige Rolle als Innovatoren, Arbeitgeber, Steuer- und Abgabezahler. Mit zahlreichen Startups ist zudem zu erwarten, dass die Branche auch in Zukunft weiterwächst.

Vom Gesundheitssektor profitieren alle
Es erstaunt auch nicht, dass die Schweiz einer der führenden Forschungs- und Innovationsstandorte der Welt ist. Schweizer Universitätsspitäler und -kliniken erreichen in internationalen Rankings regelmässig Plätze unter den besten weltweit. Gerade die Pharmaindustrie zeichnet sich durch eine überdurchschnittlich hohe Forschungsintensität aus. Jährlich investieren die Unternehmen rund 7 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung. Rund die Hälfte dieser Forschungsausgaben fliessen in die Grundlagenforschung. Davon profitieren die Schweizer Universitäten und alle, die dort studieren und arbeiten. Dieser Perspektivenwechsel rückt die Dinge ins rechte Licht. Gesundheitspolitik ist nicht allein das Krankenversicherungsgesetz. Sie betrifft auch die Medizin, die Volkswirtschaft, die Bildung, die Digitalisierung und die internationalen Beziehungen des Landes. Es wäre an der Zeit, Gesundheitspolitik in diesem grösseren Rahmen zu denken.

Dieser Artikel erschien in leicht abgeänderter Form in GPI, der Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik.

Bildlegende

Die ganze Bevölkerung profitiert direkt vom medizinischen Fortschritt. Dies schlägt sich in einer langen Lebenserwartung bei hoher Lebensqualität nieder.

Bild: Keystone

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