Arzttarif: Die Hoffnung auf Reform lebt

Ende Dezember wurden dem Bundesrat zwei Vorschläge unterbreitet, wie Spitäler und Ärzte ihre ambulanten Leistungen künftig abrechnen können. Beide Lösungen – Einzelleistungen und Pauschalen – ergänzen sich. Eine Chance für den Bundesrat.

Seit Jahren wird um einen neuen Arzttarif für ambulante Leistungen von Spitälern und Ärzten gestritten. Es geht um viel Geld. Rund zwölf Milliarden Franken pro Jahr rechnen Ärztinnen und Ärzte in Praxen und Spitalambulatorien über den bisherigen Tarif TARMED ab. Das entspricht einem Drittel aller Kosten der Grundversicherung. TARMED ist aber veraltet und muss dringend abgelöst werden. Doch wie soll das neue Tarifsystem aussehen? Die Tarifpartner sind sich uneins. Inzwischen haben sich zwei grosse Lager gebildet, die auf unterschiedliche Ideen setzen.

Zwei Lager, zwei Lösungen

Auf der einen Seite stehen die Ärztevereinigung FMH und der Kassenverband Curafutura. Auf der Basis des TARMED haben sie eine neue Tarifstruktur entwickelt: TARDOC. TARDOC ist wie sein Vorgänger ein Einzelleistungstarif. Allerdings ist er weit weniger komplex. Auf der anderen Seite stehen der Spitalverband H+, der Dachverband der Fachgesellschaften der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärztinnen und Spezialärzte (FMCH) und der zweite Kassenverband Santésuisse. Sie wollen im ambulanten Sektor Pauschalen einführen.

Nur TARDOC unterschriftsreif

So unterschiedlich die Lösungen, so unterschiedlich sind sie ausgereift. FMH und Curafutura legten dem Bundesrat bereits im Frühjahr 2021 eine Version des TARDOC vor. Doch der Bundesrat verlangte Nachbesserungen und kritisierte die fehlende Beteiligung der Spitäler. FMH und Curafutura gingen über die Bücher und überarbeiteten TARDOC in den letzten Monaten wunschgemäss nochmals. H+ wurde eingeladen, sich aktiv zu beteiligen. Der Spitalverband hat daraufhin Daten beigesteuert und signalisiert Bereitschaft, sich für den TARDOC einzusetzen. Ende 2021 wurde die überarbeitete Version von TARDOC eingereicht. Aus Sicht von FMH und Curafutura wurden alle Auflagen des Bundesrates erfüllt. Deshalb erhoffen sie sich nun eine rasche Genehmigung. TARDOC soll, so die Erwartung von FMH und Curafutura, am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Pauschalen zur Prüfung vorgelegt

Es gebe, so FMH und Curafutura, keine zeitnahe Alternative für die Ablösung des TARMED. Nur TARDOC biete eine flächendeckende ambulante Tarifstruktur, die ärztliche Leistungen umfassend, vollständig und aktuell abbilde. Ambulante Pauschalen seien in ihrer Entwicklung noch nicht weit genug fortgeschritten. In der Tat: Santésuisse und H+ haben dem Bundesrat vor Weihnachten 2021 erst ein Gesuch zur Prüfung von ambulanten Pauschalen vorgelegt. Sie wollen das Modell im Verlauf dieses Jahres entwickeln und finalisieren. Santésuisse und H+ möchten die ambulanten Pauschalen Anfang 2024 verbindlich einführen.

Spielraum für Kompromiss

Die beiden Lager arbeiten mit unterschiedlichen Zeitplänen. FMH und Curafutura drängen auf eine rasche Einführung des TARDOC, damit die Tarifpositionen möglichst aktuell gehalten werden können. Davon profitieren auch die Patienten. TARDOC wertet hausärztliche Leistungen auf, bildet spezielle Leistungen wie zum Beispiel palliativmedizinische Behandlungen korrekt ab und ermöglicht die Abrechnung von telemedizinischen Beratungen.

Santésuisse und H+ sind sich bewusst: Nicht alle ambulanten Behandlungen lassen sich mit Pauschalen abdecken. Schwierig oder gar unmöglich ist dies bei Hausärzten. Deshalb wollen Santésuisse und H+ neben Pauschalen für bestimmte Bereiche auch Einzelleistungstarife entwickeln. Diese könnten auf der Struktur des TARDOC aufbauen.

Bundesrat kann Blockade lösen

Es liegen also zwei Vorschläge auf dem Tisch. Damit stehen dem Bundesrat folgende Varianten offen: Er kann TARDOC genehmigen und die ambulanten Pauschalen nachgelagert bewilligen oder zuwarten und die beiden Modelle gemeinsam einführen. Für die erste Variante spricht, dass Ärztinnen und Ärzte ein Jahr früher mit einem modernen Tarif abrechnen könnten. Dem Bundesrat bietet sich die Chance, eine jahrelange Blockade zu lösen und das Gesundheitswesen in einem bedeutenden Bereich vorwärtszubringen.

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Lichten sich die Wolken? Dem Bundesrat bietet sich die Chance, das Gesundheitswesen in einem bedeutenden Bereich vorwärtszubringen.

Bild: iStock

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